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Neue Flugbilder aus Westsiebenbürgen

29. August 2018

Die Buchreihe „Über Siebenbürgen" dokumentiert in ihrem aktuellen sechsten Band Kirchenburgen im Unterwald

Von Jürgen Henkel

Mit neuen und wieder höchst eindrucksvollen Bildern geht die ambitionierte Buchreihe „Über Siebenbürgen" des Schiller Verlags in die sechste Folge. Dieses Mal kommen die westlichsten Kirchenburgen Siebenbürgens an die Reihe. Der Band trägt den Titel „Kirchenburgen im Unterwald" und bietet wieder viele wunderbare Luftaufnahmen von Ovidiu Sopa sowie fabelhafte Innenfotos und kompakte-konzentrierte, dabei aber sehr inhaltsreiche Begleittexte von Anselm Roth.

Auch in diesem Band werden wieder manche Szenen des Verfalls wie auch gelungene Bemühungen um den Erhalt der einzigartigen Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens gleichermaßen deutlich. Wobei die Luftaufnahmen der Kirchenburgen ihre besondere Aussagekraft nicht nur aus dem ganz eigenen ästhetischen Reiz der Luftaufnahmen an sich gewinnen, sondern auch daraus, dass sie unbestechliche Radiographien des Bestehenden vermitteln und auch die Entwicklung im Umfeld der ehrwürdigen Kirchen und Wehranlagen festhalten, von manchem verlotterten Schuppen bis zu manchem Neubau.

Die regionale Bezeichnung „Unterwald" meint nun nicht selbst den Wald, sondern ist wörtlich zu nehmen als „Unter dem Wald" oder „Land vor dem Wald", wie Herausgeber Anselm Roth im Einleitungstext darstellt. Es ist das Gebiet am Nordrand der waldigen Karpaten, das im Osten ungefähr bei Großpold/Apoldu de Sus beginnt und im Westen nach Broos/Orăştie reicht. Im Norden greift der Band bis nach Straßburg am Mieresch/Aiud, das die Herausgeber nach eigener Aussage „mit viel Großzügigkeit" noch zum Unterwald zählen. Das erlaubt ihnen freilich, in diesem Band auch fantastische Bilder der dortigen Burganlage sächsischen Ursprungs wiederzugeben, die heute der reformierten ungarischen Kirche und Minderheit gehört.

Der neue Band versammelt einige ganz besondere Beispiele. So gelten die vier Gemeinden Rumes/Romoş, Schard/Şard, Grabendorf bzw. Krapundorf/Ighiu und Krakau/Cricău laut Roth nach den urkundlichen Ersterwähnungen als die vermutlich ältesten Ansiedlungen der Deutschen aus dem Moselgebiet und dem Rheinland in der Region. Wobei die Gründungszeit der Siedlungen natürlich noch weiter zurückliegen kann. Als weitere Besonderheit markiert Roth, dass die Kirchen in Schard, Krapundorf und Krakau schon seit Jahrhunderten ungarisch sind. Einst von Sachsen errichtet, wechselten sie die Besitzer nach deren Abwanderung.

Das Album zeigt wieder sehr gepflegte und gut restaurierte Kirchen und Kircheninnenräume wie etwa in Großpold/Apoldu de Sus (S. 8-13), aber auch verfallende Kirchenburgen, an denen der Zahn der Zeit nagt wie in Dobring/Dobârca (S. 14-19), dazu echte Ruinen wie in Urwegen/Gârbova (S. 28-30) oder Burgberg bei Mühlbach/Vurpăr (S. 68 f.). Manche Fotos von Innenräumen zeigen eine beachtliche Kunstgestaltung oder die sehr meditativ-atmosphärische heutige Ausstattung wie etwa in Grabendorf (S. 57), Krakau (S. 57) und Winz/Vinţu de Jos (S. 73).

Es sind ein paar echte Schmuckstücke in diesem Band dokumentiert. So etwa die imposante Burg aus Kelling/Câlnic (S. 31-36), eine bis heute respekteinflößende Wehranlage mit sieben Meter hohen und einen Meter breiten Mauern, einem großen Speckturm und einer Kapelle. Oder die gewaltige, wunderschöne und einer Kathedrale ähnliche Kirche von Mühlbach/Sebeş mit ihrer am Objekt sichtbaren epochenübergreifenden Baugeschichte und dem atemberaubenden Flügelaltar, einem der größten seiner Art (S. 41-46). Eine Besonderheit bietet auch Broos/Orăştie. Dort sind innerhalb der Kirchenmauern gleich zwei große Kirchen zu sehen: die ungarische reformierte und die sächsische evangelische Kirche (S. 82-87). Das Buch bietet bemerkenswerte Innen- und Außenbilder beider Gotteshäuser.

Historisch und optisch außerordentlich spannend und sehenswert ist im Übrigen die Kirchenburg in Straßburg am Mieresch (S. 62-67). Diese riesige Anlage mitten im Zentrum der Stadt mit einer Grundfläche von 3500 Quadratmetern hat auch einiges Einzigartige aufzuweisen. 1293 ist hier die Ansiedlung der Sachsen belegt, die massive Festung mit heute acht (von früher neun) erhaltenen Türmen entstand im 14. Jahrhundert. Ihr heutiges Aussehen verdankt die großartige Anlage dem 16. und 17. Jahrhundert. Im Inneren der Burg befinden sich zwei Kirchengebäude. Der Band zeigt beide Innenräume.

Nachdem sich die katholischen Straßburger anders als die übrigen Siebenbürger Sachsen aber für den Calvinismus entschieden gingen die Gotteshäuser an die Reformierte Kirche über. Die Sachsen magyarisierten sich laut Roth hier sprachlich und ethnisch. Wobei das alte evangelische Pfarrhaus neben dem kalvinistischen Pfarramt und Pfarrhaus bis heute dort vorzufinden ist.

Neben den schon erwähnten Kirchenburgen präsentiert das Album noch die Anlagen aus Reußmarkt/Miercurea Sibiului, Bußd bei Mühlbach/Boz, Petersdorf bei Mühlbach/Petreşti und Deutschpien/Pianu de Jos. Der neue Band ist wieder sehr gelungen. Die künstlerisch beachtlichen und höchst beeindruckenden Luft- und Innenaufnahmen geben einen sehr guten und präzisen Eindruck wieder von der hier vorgeführten Kirchenburgenlandschaft. Die Bildschnitte sind etwas konventioneller als bei manchem Vorgängerband, was der Darstellung aber sehr gut bekommt. Der Farbdruck ist dieses Mal wieder makellos und kann auch Puristen erfreuen.

Über Siebenbürgen. Bd. 6: Kirchenburgen im Unterwald. Fotografien und Text: Anselm Roth, Luftfotografie: Ovidiu Sopa; Bonn/Hermannstadt: Schiller Verlag 2018, 88 S., geb., ISBN 978-3-946954-26-2, 80 RON/20 €

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