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Wie aus Franzosen Schwaben wurden

10. Januar 2014

Zum Buch „Franzosen im Banat, Banater in Frankreich" von Smaranda Vultur

Die Geschichte der im Banat angesiedelten Franzosen beginnt im Kaiserreich der Habsburger um 1750. Der Elsass, Lothringen und Luxemburg waren an die Habsburger gefallen. Im Zuge der Habsburgischen Kolonisierungspolitik wurden französische Bürger aus den genannten Ländern – um das zahlenmäßige Verhältnis der Ethnien zugunsten der Deutschen zu verbessern - im Banat angesiedelt. Sie wurden zu Schwaben französischer Herkunft. Außerdem führte diese Deportation zum Erstarken der „deutschen" Ethnie und somit der Macht der Habsburger im Banat. Die meisten Kolonisten sprachen auch in der Familie Schwäbisch, später‚ nach 1867, Ungarisch.

Nachdem Hitlerdeutschland den Krieg verloren hatte, wurden sie auf ihrer Flucht in ihre Herkunftsgebiete zunächst staatenlos und ungewisser Nationalität schließlich in der Gegend von La Roque-sur-Pernes in Lotringen.

Was dazwischen war und die Banater Franzosen betrifft, hat die Forscherin Smaranda Vultur in dem Buch „Francezi în Banat, Bănățeni în Franța", (Franzosen im Banat, Banater in Frankreich, Marineasa Verlag, Temeswar 2013) zusammengestellt.
Die Autorin bemüht sich, das Bestehen des Problems nachzuweisen und greift auch auf die „Amintiri" (Erinnerungen) von Ioan Slavici zurück, der in den Jahren 1865-1867 das Temeswarer Piaristengymnasium besuchte, um sein Deutsch zu verbessern. Desgleichen führte sie Interviews mit Nachkommen der französischen Kolonisten im Banat, u. a. Hans Dama (Battislé), Cristina-Margareta Renard, und in La Roque-sur-Pernes, u. a. Margarete und Nikolas Benz, Rosalie Bernhardt und Philippe Willer.

Die französischen Kolonisten aus Lothringen (und dem Elsass, Luxemburg und Trier) haben im Banat, mit den schwäbischen Siedlern zusammen lebend, ihre Sprache und Herkunft mit der Zeit vegessen.

Es gab selten Schulen und Kindergärten mit Unterricht in französischer Sprache. In der Zeit des östereichisch-ungarischen Dualismus (1876-1919) verschlimmerte die staatlich betriebene Magyarisierung die Lage.

Die Autorin Smaranda Vultur gibt als Beispiele für Neusiedlungen der Elsass-Lothringer Schwaben die Dörfer Triebswetter/Tomnatic, Mercydorf/Cărani, Kleinbetschkerek/Becicherecul Mic, Grossbetschkerek/Zrenjanin/Becicherecul Mare (nach 1919 zu Serbien/Vojvodina gehörig), Ostern/Comloșu Mic, Lowrin/Lovrin, Sankt Andreas (schwäbisch Andrees, rum. Sânandrei), Großsanktnikolaus/Sânnicolau Mare und Neubeschenova/Dudeștii Noi an.

Die Familiennamen Renard, Cocron, Hockel (von Auquel) aber auch Jung und Benz werden genannt.

Etienne Frec�™t, Doktor der Rechtswissenschaften, hatte in Budapest studiert. Seine Vorfahren hatten sich über 200 Jahre weder germanisieren noch magyarisieren lassen. Zumindest den Nachnamen nicht.

Mehr noch, der in Budapest zum Rechtsanwalt promovierte Frec�™t sorgte dafür, dass die französischen Banater Schwaben individuelle oder Gruppenerinnerungen hervorgruben und sich aus Überlieferungen, Brauchtum, Familienfotos wieder als Ethnie erkannten.

Frec�™t war gründendes Mitglied und erster Vorsitzender des Vereins der Nachkommen der ehemaligen französischen Kolonisten im Banat und vertrat diese an der Friedenskonferenz von Paris, wo er sich u. a. für die Unteilbarkeit des historischen Banats einsetzte. Er wurde mit seiner Gruppe sogar von Clemenceau empfangen. Das Banat wurde trotzdem zwischen Rumänien, Ungarn und Serbien aufgeteilt. Serbien war wiederum faktisch zweigeteilt, zwischen den Partisanen des Kommunisten Iosip Broz Tito und den liberalen Demokraten.

Einer der nach La Roque-sur-Pernes Zurückgekehrten, Nicolas Benz, war vor der Aushebung der Deutschen im Januar 1945 von Klein- nach Grossbetschkerek geflüchtet. Da er Pferd und Wagen hatte, wurde er nicht ausgehoben, sondern er durfte für die Partisanen Schießpulver und Munition karren.

Zum Unterricht: Es gab z. B. auch in Neubetschkerek eine Schule mit insgesamt sieben Klassen. Margarete Benz geb. Jung berichtete der Autorin Smaranda Vultur, sie habe diese von 1932 bis 1939 besucht. Es wurde in deutscher und rumänischer Sprache unterrichtet. Ihre Eltern bekamen Unterricht auf Ungarisch. In der Familie sprach man Schwäbisch.

Nachdem die Deutschen den Krieg verloren hatten, besannen sich die Kolonisten endlich, Nachkommen von ehemaligen Einwanderern aus Elsass-Lothringen, Luxemburg, Trier zu sein. Am 15. Januar 1945 waren die arbeitsfähigen Deutschen in ganz Rumänien ausgehoben und in Viehwaggons weggebracht worden.

Aber ein Umstand kam denen entgegen, die der Verfolgung als Deutsche entgehen wollten. In Rumänien konnte man beim Bürgermeister eine Erklärung abgeben, man sei z. B. Franzose. Einzige Bedingung, man musste beweisen oder glaubhaft machen, man hätte niemals und auf keine Art der Deutschen Volksgruppe angehört oder dieser in irgendeiner Weise geholfen. Mit Propaganda, finanziell, kulturell oder sonstwie.

Es gab damals Vereine für von französischen Kolonisten abstammenden sogenannten Banater Schwaben. Es wurde z. B. eine Eingabe an die Regierung gemacht, den Ortsnamen Tomnatic/Triebswetter umzuändern in Barthou, nach dem Politiker, ebenfalls aus Elsass-Lothringen stammend, der Verwandte desselben Namens in Triebswetter hatte.

Im Jahre 1933, als die Feier 200 Jahre Mercydorf stattfand, eine Gemeinde die nach dem ersten Gouverneur des Banats, Claude Florimund von Mercy benannt ist, war auch eine Vertretung von Elsass-Lothringen eingeladen.

1939 wurde die Deutsche Volksgruppe in Rumänien gegründet. Die Organisation der französischen Schwaben galt als antifaschistische Widerstandsbewegung.

Es gab in Wien einen Verein, der sich um die Flüchtlinge – auch aus dem Banat – kümmerte. Die Mitglieder der Familie Benz verbrachten einige Jahre in der Wiener Umgebung und fanden Beschäftigung als Landarbeiter. Sie wollten endlich nach Amerika ausreisen, doch ein Herr Lammesfeld vom genannten Verein überredete sie, nach Frankreich zu gehen. In La Roque-sur-Pernes gab es in einer Gasse (später „La rue du Banat/„Banater Strasse" genannt) etwa ein Dutzend baufällige, verlassene Häuser, dort richteten sie sich ein, sie bekamen auch einen zinslosen Kredit und lebten vom Weinbau. Dank ihres Fleißes waren sie schnell beliebt, als Arbeitskräfte und als Partner.

Wolfgang FUCHS, HZ vom 10.1.14

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