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Die Elemente

Die Elemente von Magda Szabó
Roman

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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 296 S
Erscheinungsjahr: 2010
Verlag: Secession Verlag für Literatur
Sprache: Deutsch
ISBN: 9783905951011

"Es war Morgen, sie war eben mit dem Rösten von Brot beschäftigt, als die Nachricht kam. Vor vier Monaten hatte Iza ihnen ein tüchtiges kleines Gerät geschickt, zwischen dessen elektrischen Drähten sich die Brotschreiben blassrosa färbten; Etelka besah es eine Weile von allen Seiten, dann stellte sie es samt Karton ganz unten in den Küchenschrank und holte es nicht wieder hervor. Sie hatte kein Vertrauen zu Apparaten, im Grunde vertraute sie nicht einmal etwas so Alltäglichem wie der Elektrizität. Wenn es ein paar Stunden lang Kurzschluss gab oder der Sturm die Leitungen beschädigt hatte, nahm sie den zweiarmigen kupfernen Leuchter, in dem stets neue Kerzen auf das Verlöschen des Lichtes warteten, von der Kredenz und trug ihn ins Zimmer, und beim Durchqueren des Vorraums hielt sie sich die Ästchen mit den Flammenenden über den Kopf, wie ein sanfter, altersschwacher Hirsch sein Geweih. Nicht einmal in der Vorstellung konnte sie sich an den Brotröster gewöhnen: es hätte das Kauern und das Feuer gefehlt, das seltsame, an einen lebenden Organismus erinnernde Keuchen der Glut, deren ständige Farbveränderungen dem Zimmer eine eigentümliche Lebendigkeit verliehen; das brennende Feuer gab ihr das Gefühl, nicht allein zu sein, auch wenn sich sonst niemand in der Wohnung aufhielt. Auch jetzt hockte sie vor der offenen Ofentür auf dem Schemel, und als Antal klingelte, wusste sie in der Eile nicht wohin mit der Miniaturharpune, auf der die Brotscheibe steckte, so nahm sie sie einfach mit in den Vorraum.Antal sah sie erst nur an, dann ergriff er ihren Arm, und diese linkische Bewegung verriet, was er nicht hatte sagen wollen. Die Augen der alten Frau füllten sich mit Tränen, doch die Tropfen quollen nicht heraus, als hielte sie eine merkwürdige, hartnäckige Kraft auf dem Lidrand im Gleichgewicht. Ihre zugleich instinktive wie anerzogene Höflichkeit, die zuverlässiger funktionierte als ein Reflex, nötigte ihr sogar ein kehliges'Danke, mein Sohn'ab. Sie heizte nur im hinteren der beiden Zimmer. Drinnen ließ sie sich wieder auf den Schemel nieder. Antal wärmte sich am Ofen die Hände. Sie sprachen nichts, auch so verstanden sie einander vollkommen.'Ich muss Kräfte sammeln', sagten ihre Gedanken,'ich habe ihn sehr geliebt'.'Nimm dich zusammen, wir haben Zeit', antwortete Antal bei sich.'Eigentlich hat es gar keinen Sinn, dass du hingehst, dort ist ja niemand mehr. Derjenige, der dort liegt, ist seit dem frühen Morgen nicht mehr der, den du kannest. Hinbringen werde ich dich schon, denn du hast auch ein Recht auf ihn, auf diesen Niemand.'Als sie schließlich losgingen, hängte sie sich auch das Einkaufsnetz über den Arm. Das hatte sie immer dabei, wenn sie in die Klinik fuhr, darin brachte sie Vince, was er sich wünschte oder was sie für nötig hielt: Taschentücher, Löffelbiskuit, seine Zitronen. Auch jetzt leuchteten die gelben Kugeln durchdas Netz.'Sie zaubert', dachte der Arzt.'Mit den drei elenden kleinen Zitronen zaubert sie. Sie glaubt, wenn sie dem Tod zeigt, dass sie sich nicht vor ihm fürchtet, schreckt er zurück. Sie glaubt, wenn sie ihrem Mann Zitronen bringt, trifft sie ihn noch lebend an.'In der Nacht hatte es leichten Frost gegeben, die Treppe war glitschig, zuletzt hatte Etelka am Abend gestreut. Er nahm sie beim Arm und führte sie hinunter. Die Tür des Holzschuppens stand offen, auf ihrer Schwelle ein Kamm lehmigen Schnees, dahinter, wie hinter einer Brüstung, lugte Kapitän hervor. Es war zu hören, wie er im Heu strampelte, schon wieder verwüstete er sein Nest. Etelka sah nicht hinüber zum Schuppen, ihr Arm wurde plötzlich steif, ihr Atem ging rascher.''Sie hat Kapitän ebenfalls gesehen', dachte der Arzt,'doch sie tut, als hätte sie ihn nicht bemerkt. Kapitän ist schwarz. Jetzt darf man nichts Schwarzes ansehen, nur Weißes.'. Wie sie das Tor schlossen und zum Taxistand gingen, sah ihnen Kolman, der Lebensmittelhändler, durch die Glastür seines Ladens nach ..."'Verlass diese Frau!'- Dies flüstert dem über alles geliebten Mann eine nächtliche Stimme ins Ohr. Iza ist seine große Liebe. Doch er hört auf den nächtlichen Instikt und geht. Und ein jeder fragt:'Warum? Was war geschehen?'Antwort gibt das Leben. - Ihr Vater stirbt. Grob war er, liebend und gerecht! Iza nimmt die Mutter mit in ihr Budapester Großstadtleben. Und dann passiert es. Gewohnheiten werden aufgelöst. Erinnerungen kommen hoch. Tatsachen drücken sie zurück in die Tiefe. Wahrheiten machen sich ans Werk. Bis die Katastrophe eintritt: Der instinktive Austritt der Mutter aus dem Leben, ein letzter Akt der Liebe. Eine unerhörte Warnung an die Tochter Iza. Hat sie Ohren zu hören? Die Fluten verebben, zurück bleibt Iza: einst von vielen geliebt, ist sie jetzt allein. Etwas hat zu ihr gesprochen: pur, streng, gegen die kalte Logik namens Selbstbetrug.Ein Roman, der den Bedingungen von Liebe gnadenlos auf den Grund geht. Durch den Strom der Zeiten hindurch fließt die Sprache Magda Szabós: das Ungarn der 60er Jahre, seine Menschen, ihr Schicksal - ein ewiges Monument unserer Schwächen, gütig und ernst, hellsichtig dem Leben zugewandt.Frage:'Warum schreiben Sie?'Antwort:'Fragen Sie einen Vogel, warum er singt!'Magda Szabó2DEMagda Szabó (1917 - 2007) Die Ungarin schreibt in 90 Jahren über vierzig in zweiundvierzig Sprachen überstzte Werke. Zu ihren Lebzeiten gilt sie bereits als Klassiker. 1949 erhält die Lyrikerin Publikationsverbot. Sie arbeitet als Lehrerin und schreibt für die Schublade. 1958 erscheint nach Jahres des Schweigens ihr erster Roman. Preise folgen. Weitere Romane. Innerhalb kürzester Zeit erlangt die Autorin Weltruhm. 2003 erhält sie in Frankreich den Prix Femina für ausländische Literatur. Sie zählt zu den zehn besten Autorinnen der Weltliteratur.