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„...mehr oder weniger auf sich selbst angewiesen"

21. Oktober 2017

Erinnerungen des Orgelbauers Karl Einschenk (1867 – 1951) erschienen

von Erich Türk, ADZ vom Samstag, 21. Oktober 2017

Wie im Titel zitiert, so betrachtete der Kronstädter Orgelbauer und Firmengründer Karl Einschenk (1867 - 1951) seinen Werdegang, den er in seinen jüngst veröffentlichten Erinnerungen beschreibt. Die Lektüre ist natürlich für Organisten und Orgelbauer fachlich sehr interessant. Allerdings ist das Buch genauso gut einem breiten Publikum zu empfehlen, da es eine sehr lebendige und vielschichtige Perspektive auf das Alltagsleben des ausgehenden 19. Jahrhunderts bietet. Einschenks Werdegang begann in Siebenbürgen, und führte ihn des Weiteren zehn Jahre lang durch Budapest, Wien, Bayern, die Schweiz, die Steiermark und durch Slowenien. Umgangssprachlich und zwanglos erzählt, gibt der Text Einblick auf das erlebte soziale Umfeld: der Status eines Lehrlings, Beziehungen unter den Gesellen, Geschäftsführung des Meisters (nicht immer verantwortungsvoll), Arbeit in kalten Kirchen oder in einer edlen Adligenresidenz.

Interessant ist auch das Bild, das von der Arbeitsmoral in den verschiedenen Gegenden vermittelt wird: übertriebener Alkoholkonsum, Zwist, Faulheit und Misswirtschaft konnte demnach auch in solchen Werkstätten angetroffen werden, deren Instrumente teilweise auch heute noch recht ordentlich ihren Dienst tun. Auch Stadtbesuche und Freizeitprogramme werden erwähnt, wobei der eindeutige Höhepunkt von Einschenks Wanderjahren die Schweiz war: „Die schönsten Tage meines Lebens habe ich in der Schweiz erleben dürfen und nun fängt ein zweiter Abschnitt meines Lebens an. Dieser ist voll von Enttäuschung, Kummer und Sorgen" (S.76). Eine solche Enttäuschung erfuhr Einschenk, als er nach Kronstadt zurückkehrte. Obwohl er eigentlich mit seinem ersparten Geld nach Amerika wollte, ließ er sich überzeugen, in der Heimat zu bleiben und das Kapital in eine eigene Firma zu investieren. Dabei erfährt er hinterher weit weniger Unterstützung und Interesse als erhofft, zumindest bis 1901. Dies ist das Ende der Zeitspanne, die diese Erinnerungen beschreiben.

In dem von Christine Chiriac und Ursula Philippi herausgegebenen Buch folgen auf Einschenks Memoiren ein kurzer Brief und zwei Gedichte des Orgelbauers, sodann noch Erinnerungen einiger seiner heute lebenden Nachkommen. Das Buch vermittelt die Geschichte jener Zeit (ca. 1870-1901) auf lebendige Art, vor allem im Hauptteil, der so anschaulich die damaligen Zustände in der österreichisch-ungarischen Monarchie, in Bayern und der Schweiz beschreibt.
Obwohl die Erinnerungen der Nachkommen das Bild von Einschenks Leben in sowohl interessanter als auch subjektiver Weise abrunden, wäre eine ausführlichere Ergänzung über die folgenden 50 Jahre (1901-1951) bis zu Einschenks Tod willkommen. Es ist nicht nur eine Zeitspanne geschichtlicher Turbulenzen, die niemanden verschonten, sondern auch die Zeit der Blüte von Karl Einschenks Firma. Trotz schwieriger Umstände baute er damals über 40 neue Orgeln und führte zahlreiche Reparaturen und Umbauten durch, nicht nur in evangelischen Kirchen, sondern auch in ungarischsprachigen Gemeinden.

Es ist sehr begrüßenswert, dass die Persönlichkeit Karl Einschenks mit diesem Buch eine Würdigung erfährt. Dank während langer Wanderjahre erworbener fundierter Kenntnisse war seine gediegene Arbeit absolut auf der Höhe ihrer Zeit und ließ Siebenbürgen an den hohen Standards West-europas teilhaben. Trotz „Enttäuschung, Kummer und Sorgen", die ihm das Leben in Siebenbürgen brachte, oder auch gerade dadurch, hat Karl Einschenk seiner Heimat treu gedient. Auch wenn seine Umbauten heute aus denkmalpflegerischen Gründen manchmal rückgängig gemacht werden, ist seine Arbeit, insgesamt betrachtet, für die siebenbürgische Orgellandschaft, welche bis heute in – nicht nur evangelischen – Gemeinden zum Lob Gottes erklingt, eine Bereicherung.

„Dass die höchsten und tiefsten Accorde schön harmonieren...", Erinnerungen des siebenbürgischen Orgelbauers Karl Einschenk, Hrsg. Christine Chiriac & Ursula Philippi, 126 Seiten, 2017, Schiller-Verlag Bonn - Hermannstadt, www. schiller. ro, ISBN 978-3-946954-08-8, zu erwerben u. a. bei www.buechercafe.ro

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