skip to content

Dreisprachige Heilkunde

23. April 2010

Medizinisches Lehrbuch neu aufgelegt

Die Neuaflage des Buches des Kronstädter Stadtarztes Paulus Kyr von 1551, „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding", wurde am Samstag im Erasmus-Büchercafé vom Herausgeber Robert Offner vorgestellt. Aktuelle Anmerkungen, Ratschläge, Schwarz-Weiß-Abbildungen sowie ein alphabethisches Verzeichnis von 208 der bekanntesten Lebensmittel jener Zeit vermitteln dem wissbegierigen Leser einen Einblick in die Lebensführung und Denkweise im Siebenbürgen des 16. Jahrhunderts. Das Buch enthält die lateinische Originalverfassung und die Übersetzungen in drei Sprachen – Deutsch, Rumänisch und Ungarisch.

Man hat es einfach heutzutage. Gegen Schmerzen allerlei nimmt man einfach Analgetika ein, die meisten von uns finden es nicht nötig, den Arzt mal danach zu fragen. Wir kümmern uns selbst darum. Wichtig ist: Schmerz wird gelindert, die Ursache scheint uns nicht mehr so sehr zu interessieren.

Anders war die Einstellung der Menschen im 16. Jahrhundert. Von Prävention ist immer gepredigt worden, in Siebenbürgen schriftlich sogar schon seit fast 460 Jahren. Die gesunde Lebensführung ist die Kernaussage des Gesundheitslehrbuches, das im Jahre 1551 zum ersten Mal vom Stadtarzt Paulus Kyr für die Honterusgemeinde in Kronstadt veröffentlicht wurde. „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding" oder, in seiner Zeit, „Sanitatis studium ad imitationem aphorismorum compositum item, alimentorum uires breuiter et ordine alphabetico positae", gilt als erstes gedrucktes medizinisches Buch Siebenbürgens, so der Philologe und Medizinhistoriker László András Magyar in einem der drei einleitenden Beiträge, die in der neu herausgegebenen Auflage zu lesen sind.

Das Büchlein war laut Widmung für die Schüler des evangelischen Gymnasiums gedacht: „Paulus Kyr wünscht der studierenden Jugend von Kronstadt Heil und Wohlfahrt". Durch seine Komplexität und die zahlreichen Anweisungen, galt das im Lateinischen verfassten Schulbuch, trotz der hilfreichen Ratschläge, zu seiner Zeit als eher exklusiv. Viele Beispiele konnten wohl nur von denjenigen verstanden werden, die mit der klassischen Diätetik wie z. B. der Viersäfte-Lehre vertraut waren. Dieser medizinphilologischen Theorie nach, bestehe die Welt aus vier Elementen, Erde, Wasser, Feuer und Luft, deren je ein „Saft" im Organismus entspreche. Was Kyr eigentlich in seinem Lehrbuch analysiert, sind „die nicht natürlichen Verrichtungen", die den Gesundheitzustand jedes Menschen beeinflussen. Es gäbe also sechs Verrichtungen – Luft, Speise und Trank, Bewegung und Ruhe, Schlafen und Wachen, Ausleerung und Anfüllung (des Leibes) und die Gemütsverfassungen – die man beachten müsse, sowohl um Krankeiten zu vermeiden als auch um einen gesunden Geist in einem gesunden Körper zu haben.

Die präzisen Erklärungen in Bezug auf die Funktionen der menschlichen Organe infolge verschiedener chirurgischer oder pflanzlicher Behandlungen geben dem Leser den Eindruck, dass er als Studierender dem Lehrer Paulus Kyr in einer Aula des 16. Jahrunderts zuhört. Auch bekommt man Einblick in die Praktiken der Zeit bei der Entleerung von den „bösen Säften" mit Hilfe empirischer Methoden wie u.a. Aderlass, Schröpfkopf, Erbrechen oder Stuhlausscheidung.

Manche Empfehlungen mögen von modernen Lesern als banal oder selbstverständlich empfunden werden. Es gibt trotzdem in dem Buch Aussagen, deren Aktualität unumstritten ist. Tägliche Spaziergänge, Übungstätigkeit vor und nach einem Mahl, häufige Bäder, vorsichtige Kombinationen von Lebensmitteln aber auch die Erkenntnisse über den Einfluss der Gemütsverfassung auf die Lebensführung bestätigen seine Allgemeingültigkeit bis zum heutigen Tag.

Das erstrangige Lebensbuch mit Aphorismen zahlreicher Gelehrter wie Hippokrates oder Galenus sei allen empfohlen, die sich für die Heilkunde in einer Ära ohne Nanotechnologie oder anderen modernen Methoden der Diagnosestellung begeistern können. Und für den folgenden Rat des Stadtmedikus: „Trink so, dass du noch Durst, iss so, dass du noch Hunger hast". Allerdings sollte man den Arztbesuch nicht durch die Lektüre ersetzen...

Da das Buch in drei Sprachen zu lesen ist, dürfte es auch ein breites Publikum nicht nur in Siebenbürgen erreichen. Das sei ihm gewünscht.

Paulus Kyr: „Die Gesundheit ist ein köstlich Ding". Ein ins Deutsche, Rumänische und Ungarische übersetzter und mit zeitgenössischen Bildern versehener und kommentierter Nachdruck des Gesundheitslehrbuches des Kronstädter Arztes Paulus Kyr. Hg. Robert Offner. Hermannstadt, Bonn: Schiller Verlag 2010.

Rezension von Elena Stoica, Hermannstädter Zeitung, vom 23.04.2010:

weiterführende Links


Spuren, die vergehen »

« Nahezu unentdeckte Orte „Städte im südlichen Siebenbürgen"