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Floristischen Reichtum erfasst

28. August 2010

Zum Buch „Wildpflanzen Siebenbürgens"

Im Atrium der größten Bibliothek Oberösterreichs in Linz wurde kürzlich das Buch von Elise Speta und Laszlo Rakosy „Wildpflanzen Siebenbürgens" vorgestellt. Nach der Begrüßung des Auditoriums durch Dir. Dr. Christian Enichlmayr sprach Doz. Dr. Franz Speta, langjähriger Leiter des Biologiezentrums des Oberösterreichischen Landesmuseums, einführende Worte. Hierzulande sei der Begriff „Siebenbürgen" bei jungen Leuten kaum bekannt, indes verbände man mit dem Terminus „Transsilvanien" reflexhaft eine Horrorfigur, sagte der Ehegatte der Mitautorin. Sie hätten beide bereits 1968 Sieben­bürgen bereist und seither bestünde eine enge Freundschaft und Zusammenarbeit mit führenden Vertretern der Sektion Naturwissenschaften des Arbeitskreises für Siebenbürgische Landeskunde. Deren Tagung fand dreimal in Österreich statt, zuletzt 1994 im Biologiezentrum von Linz. Ebendort war auch die sehr ­gelungene Ausstellung „Schmetterlinge Rumäniens" 1996/97 zu sehen. Auf die jetzige Lage in Siebenbürgen eingehend, sprach Speta von einem „großen Kultur­verlust" für das Land, der durch die Auswande- rung der Siebenbürger Sachsen entstanden sei.

Dr. Elise Speta zeigte in ihrem kenntnisreichen Kommentar zu der anschließenden Dia-Vorführung u.a. auch pharmazeutische und ethnobotanische Aspekte der präsentierten Blütenpflan­zen auf. Der Anstoß für die Erstellung dieses umfangreichen Werkes kam vor 13 Jahren von Univ.-Prof. Dr. Laszlo Rakosy. Er ist seit 2001 Leiter der Deutschen Abteilung der Fakultät für Biologie und Geologie, und seit 2004 auch Vorstand des dreisprachigen (rumänisch, ungarisch, deutsch) Lehrstuhls „Taxonomie und Ökologie" an der Babeş-Bolyai-Universität in Klausenburg. Der somit „echte" Siebenbürger hat sich als ­Entomologe auf die Ordnung der Schmetterlinge spezialisiert. Diese Insekten gelten, wie viele andere auch, als ökologische Anzeiger für die Wertigkeit von Biotopen, anders ausgedrückt, ob „die Natur" noch in Ordnung ist. So beherbergt die Thorenburger Schlucht (Cheile Turzii) nicht allein etwa 930 Gefäßpflanzen, sondern auch über 1500 Schmetterlingsarten! Durch die Änderung der Landnutzungsformen, so Rakosy, etwa der Beweidung, verschwänden gewisse Pflanzenspezies, und in der Folge auch einige auf diese angewiesene Insektenarten. Einhergehend mit dem EU-Beitritt Rumäniens würde kaum mehr gemäht, da die Milcherzeugung in Deutschland und Österreich billiger käme. Dadurch nehme die Verbuschung vordem offener Flächen in einigen Gebieten überhand. Diese würde auch durch eine EU-Bestimmung betreffend die Wanderschäferei begünstigt, derzufolge Schafe die Straßen nicht mehr benützen dürften. Nachdem es bisher kaum eine aktuelle systema­tische Untersuchung über die Flora Siebenbürgens gab, schließt der vorgestellte Foto-Pflan­zenführer eine Lücke im naturkundlichen Schrift­tum über einen „etwas in Vergessenheit geratenen Landstrich", wie es in der Einladung hieß.

Der Pflanzenführer enthält, nach fünf Blütenfarben gegliedert, die Beschreibung von 1116 Pflanzenarten, 1052 davon mit 1808 hervorragenden Abbildungen, und ist vornehmlich als Bestimmungshilfe für den interessierten Naturliebhaber gedacht. Bestimmungsmerkmale und Namen der Pflanzen wurden von der „Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol" übernommen. Neben den üblichen morphologischen Erkennungsmerkmalen werden Standort, Häufigkeit und Gefährdungsstufe genannt. Natürlich wird auch der Endemitcharakter der Pflanzen erwähnt, also jene Arten, die ausschließlich im fraglichen Naturraum vorkom­men. Außer der relativ bekannten Königstein-Nelke wären solche etwa die Siebenbürgische Nachtviole, der Römer-Tragant oder auch die Fiederschnittige Blauflockenblume.

Vorangestellt sind dem Hauptteil botanische Grundbegriffe, ein Glossarium, ein kurzer Abriss über die Geschichte der botanischen Erforschung Siebenbürgens sowie eine Übersicht über den untersuchten Naturraum samt den Naturschutzgebieten als interessante Exkursionsziele (wie etwa die Klausenburger Heuwiesen/Fâne­ţele Clujului). Das Untersuchungsgebiet geht über die Grenzen der historischen Provinz Siebenbürgen hinaus und erfasst auch das Sathmarer Land, die Marmarosch und das Kreischgebiet.

Im Schlussteil vervollständigen eine „Liste aller Gefäßpflanzenarten Siebenbürgens", alphabetisch nach Pflanzenfamilien geordnet, und die Register der lateinischen und deutschen Pflanzennamen dieses trotz seiner 622 Seiten noch handliche Bestimmungsbuch. Es ist wohl kein Zufall, dass dieses in jahrelanger Gemeinschafts­arbeit entstandene Werk im „Internationalen Jahr der biologischen Artenvielfalt" erschienen ist. Es sollte helfen, die Naturschönheiten Siebenbürgens besser zu schützen, als es in vielen anderen Gegenden Europas leider der Fall ist. Denn, wie es an einer Stelle im Buch heißt: „es ist zu befürchten, dass der ‚Fortschritt' auch hier in kurzer Zeit die ursprüngliche Natur zerstören wird".

Walter Schuller, SBZ-Online vom 28.08.10

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