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Werke. Bd. 8: Briefe (Werke, Bd. 8) from Jean Amery
Die Ausgabe wird unterstützt von der Hamburger Stiftung zur Förderung der Wissenschaft und Kultur

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Category: Bücher
Pages / Format: 804 S
Edit year: 2007
Publishing House: Klett-Cotta
Language: Deutsch
ISBN: 9783608935684
Edition / Volum: 1. Aufl. 2007

Der verlorene Brief<br>Verlorenheit nach der Befreiung: 1945 bis 1950<br>Ressentiments: November 1957 bis Mai 1967<br>Zwischen Vietnam und Israel<br>Zwischen Israel und Lefeu:<br>Juni 1967 bis Februar 1974<br>Diskurseüber den Freitod: März 1974 bis Oktober 1978<br>»Kleines Wort aus der Nacht«: Oktober 1978<br>Anhang<br>Siglen und Abkürzungen<br>Biographische Anmerkungen zu den Adressaten<br>Anmerkungen zu den einzelnen Briefen<br>Editorische Notizen, Quellennachweise, Dank<br>Gerhard Scheit: Nachwort<br>Anmerkungen<br>

Gerhard Scheit: Nachwort<br><br>Die Briefe dieses Bandes umfassen etwa ein Drittel der Korrespondenz Jean Amérys, soweit sie auffindbar war. Mit Ausnahme zweier Schreiben an Behörden dürften sich nur Briefe aus der Zeit nach 1945 erhalten haben, was allerdings wenig erstaunt. Gerade in den extremen Momenten, die diese Auswahl bestimmen, ist unausgesetzt präsent, was davor geschah - ob nun die Liebesbeziehung auf dem Spiel steht oder die alltägliche Misere des freien Schriftstellers sich zuspitzt; ob politische Konflikte ausgetragen werden und Freundschaften zerbrechen oder intellektuelle Verbundenheit von wachsender Gleichgültigkeit aufgerieben wird. Es sind immer Briefe aus dem Exil, ohne dieSicherheit, die andere von Heimat sprechen lässt. Kaum gelingt es Améry, die »Selbstkonstitution im Briefe« zu gutem Ende zu führen: allenthalben tritt die Angst hervor, sich als Schriftsteller nicht durchzusetzen oder den bereits erreichten Rang wieder zu verlieren; immer wieder ist er auf der Hut vor der falschen Deutung durch Freunde und »Generationskameraden« wie vor der öffentlichen Meinung, gegen die er revoltiert. Und in solchen Revolten zeichnen sich dann die Wendepunkte der intellektuellen Auseinandersetzungen und der politischen Konstellationen nach 1945 weit schärfer ab als in den üblichen zeit- oder literaturgeschichtlichen Studien.<br>Die Auswahl ist chronologisch geordnet, sie wird durch zwei Texte gegliedert, die gar keine Briefe sind: einen Essayüber die verlorene Kunst des Briefeschreibens, worin Améry ganz all gemein von jener »Selbstkonstitution im Briefe« spricht, die nicht mehr gelingen will; und einen Artikel über Engagement zwischen Vietnam und Israel, der seine linken Freunde provozieren sollte. Beide konturieren die Gegensätze zwischen den verschiedenen Phasen von Amérys Korrespondenz. Der kultursoziologische Essay des geachteten Autors von 1976 über die schwindende Fähigkeit der Menschen, Briefe zu schreiben, kontrastiert mit der gespenstischen Situation des Unbekannten von 1945, der gerade der Vernichtung entkam und erste Kontakte mit Freunden aufzunehmen sucht. Diese im Nachlass Maria Amérys entdeckten Briefe, geschrieben in den ersten Monaten und Jahren nach der Befreiung aus Bergen-Belsen, sind ein einzigartiges Dokument der Verlassenheit nach dem Unausdenkbaren, das geschehen ist. Dem steht die spätere,umfangreiche und weit gestreute Korrespondenz gegenüber, die den nun so rasch bekannt gewordenen Autor inmitten vielfältiger Freundschafts- und Arbeitsbeziehungen zeigt, in permanenter Konfrontation mit den aktuellen politischen Fragen. Deren Nervenpunkte aber erschließen sich direkt oder indirekt durch den Bruch, der von jenem engagierten Artikel übers Engagement anlässlich des Sechstagekriegs 1967 mit besonderer Präzision markiert worden ist. Darüber hinaus ist die Biographie, die Irene Heidelberger-Leonard über Améry geschrieben hat, der unersetzliche Kommentar zur Auswahl der Briefe.<br><br>Briefe aus dem Nichts<br>Wir alle, sagt Jean Améry, »die Großen und die Kleinen und die Nichtigen«, haben das Briefeschreiben verlernt. Darin liege ein Verlust von »Urbanität« - etwas, das »neuere, bessere Formen des menschlichen Zusammenlebens« sich jedoch erhalten sollten, wollen sie wirklich bessere sein. Am Niedergang der einen Ausdrucksform lässt sich ablesen, wie es um die Sprache im Ganzen steht. Im Essay über den »verlorenen Brief«, der diesen Band einleitet, meint Améry mit Urbanität nicht einfach städtische Zivilisation, es geht vielmehr um ein Potential des Humanen, das zwar mit dieser Zivilisation entstanden ist, aber durch deren unabsehbar gewordene Entwicklung auch sehr schnell wieder verschwinden kann. »Die klassenlose Gesellschaft sollte bedeuten, daß ihre Mitglieder einander schätzen, nicht daß sie in Sprache und Gestik die Gleichgültigkeit oder gar Verachtung des je anderen bekunden. Uneingeschüchtert vom Trend stehe<p>In vier große Abschnitte ist diese erstmalige, repräsentative Auswahl aus den Briefwechseln Jean Amérys gegliedert:<br>- Die frühen Briefe, im Ausnahmezustand gewissermaßen. Dem KZ entronnen, versucht Améry, an alte Beziehungen anzuknüpfen. Dies in einer generell unfassbaren Situation: Vier Jahre lang kämpft Améry mit den Behörden um die Bestätigung seiner amtlichen Identität.<br>- Die Arbeitskorrespondenz mit Herausgebern, Rundfunkredakteuren und Verlegern, in denen sich präzise Kommentare zu seinen Arbeiten, Essays und Büchern finden. Besonders eindrücklich ist der Briefwechsel mit dem Herausgeber des »Merkur«, Hans Paeschke.<br>- Ein großer Abschnitt ist der Politik und dem »Dilemma des Engagements« (so der Titel eines Artikels zum Sechstagekrieg) gewidmet. Das Thema Israel war von brennender Wichtigkeit für Améry, es geht ihm dabei immer wieder um die Erprobung seiner zentralen philosophischen und politischen Kategorien.<br>- Ein letzter Abschnitt ist den Briefen vor dem Freitod in Salzburg gewidmet.

1DE

Jean Améry, im Oktober 1912 als Hans Mayer in Wien geboren, zählt zu den bedeutendsten europäischen Intellektuellen der sechziger und siebziger Jahre. Seine bahnbrechenden Essays sind in ihrer Bedeutung vielleicht nur mit den Schriften Hannah Arendts und Theodor W. Adornos zu vergleichen. Als Reflexionüber die Existenz im Vernichtungslager stehen sie vermutlich Primo Levis Büchern am nächsten. Zugleich jedoch hat Améry wie kaum ein anderer Intellektueller die deutsche Öffentlichkeit mit französischen Denkern und Schriftstellern bekannt gemacht und konfrontiert.<br>Jean Améry starb im Oktober 1978 durch eigene Hand.<br><br>Von Irene Heidelberger-Leonard ist bei Klett-Cotta eine Biographie von Jean Améry erschienen.<br><br>Bei Klett-Cotta erscheint die neunbändige, reich kommentierte Werkausgabe mit zahlreichen noch nicht veröffentlichten Texten. Damit besteht zum ersten Mal ein Gesamtüberblick über das vielseitige Werk Amérys.

Irene Heidelberger-Leonard, geboren 1944 in der Emigration in Frankreich, war Professorin an der Université Libre de Bruxelles und publizierte zu Günter Grass, Alfred Andersch, Jurek Becker, W. G. Sebald und Imre Kertész. Sie ist die Gesamtherausgeberin der bei Klett-Cotta erscheinenden Améry-Werkausgabe. Für ihre Biographie"Jean Améry. Revolte in der Resignation"(2004) erhielt sie den Preis der Einhard-Stiftung für herausragende Biografik.

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