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Lehren Lieben Leben.

Lehren Lieben Leben. von Alfred Ernst Ungar
Ein Lehrerroman

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Kategorie: Bücher
Seiten / Format: 184 S.; Broschiert
Erscheinungsjahr: 2022
Verlag: Honterus
Sprache: Rumänisch
ISBN: 9786060081111

Das Buch „Lehren Lieben Leben. Ein Lehrerroman", das beim Honterus-Verlag erschienen ist, hat Aufsehen erregt. Der Autor ist Alfred Ernst Ungar, Großvater der bekannten Journalisten Christel, Beatrice und Arno-Raimar Ungar.

Er berichtet über sein Leben und seine Tätigkeit als Schulmeister in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Der in Hermannstadt/Sibiu geborene Alfred Ernst Ungar (1901-1988) war nach seiner Ausbildung am Hermannstädter Landeskirchlichen Lehrerseminar vom Jahr 1920 an in Großscheuern/Sura Mare als Lehrer und seit 1926 auch als Rektor tätig. Im Jahre 1934 wechselte er nach Hermannstadt, wo er bis zu seiner Pensionierung 1961 an deutschen Schulen unterrichtete. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Abteilung des Staatstheaters Hermannstadt (DASS) und wirkte dort auch selbst bei Theateraufführungen mit, so bei der Aufführung von Bertolt Brechts Stück „Mutter Courage und ihre Kinder" im Jahre 1956.

Die Hermannstädter Journalistin und Übersetzerin Beatrice Ungar, eine Enkelin des Autors, hat nun aus dem Nachlass ihres Großvaters ein Romanfragment ediert, das vor Kurzem im Hermannstädter Honterus-Verlag erschienen ist. Es trägt den programmatischen Titel „Lehren Lieben Leben" und spielt Mitte der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in der fiktiven siebenbürgisch-sächsischen Gemeinde Stallendorf, hinter der sich die wenige Kilometer von Hermannstadt entfernte Ortschaft Großscheuern verbirgt.

Der junge Lehrer Ernstfred Zakel, das fiktionale Alter Ego des Autors, lebt in Stallendorf alleine mit seiner pflegebedürftigen Mutter Ernestine, die denselben Vornamen trägt wie die Mutter des Verfassers Alfred Ernst Ungar, aus dessen beiden Vornamen auch der Vorname der Romanfigur gebildet ist. Und „Ali", der Kosename von Ernstfred im Roman, verweist mit aller Deutlichkeit auf den realen Vornamen „Alfred" seines Autors. Das Autobiographische unterstreicht hierbei die Authentizität des im Roman Geschilderten.

Beatrice Ungar, die Herausgeberin des Romanfragments, hat diesem den Untertitel „Ein Lehrerroman" gegeben, man hätte es aber auch genauso gut als Dorfroman oder als Gesellschaftsroman bezeichnen können, denn im Mittelpunkt steht nicht allein der Lehrer, sondern in gleicher Weise die Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen als solche sowie in ihrem Zusammenleben mit den Rumänen und den im Roman als Zigeunern bezeichneten Roma.

Der äußere Rahmen der Romanhandlung, die sich kaum auf Monate, vielmehr auf wenige Wochen erstreckt, wird durch die Auseinandersetzungen um die Nachfolge eines pensionierten Lehrers an der Evangelischen Volksschule A.B. in Stallendorf bestimmt. Dieser Lehrer namens Ehrlich war zugleich Prediger und konnte sich so als „Nicht-akademischer Pfarrer" ein Zubrot zu dem kärglichen Lehrergehalt verdienen, das zudem wegen der Säumigkeit der kirchlichen Beitragszahler weder pünktlich noch vollständig ausgezahlt wurde. Dieses ehrenvolle Amt des Predigers wird nun dem Lehrer Zakel angetragen, der das Ansinnen jedoch zur Verwunderung der Honoratioren des Dorfes mit der Begründung ablehnt, er sei noch zu jung und unerfahren und außerdem wolle er frei sein. Selbst die Aussicht auf eine Eheschließung mit der Notarstochter, die als gute Partie gilt, kann ihn nicht umstimmen. Am Ende des rund zweihundertseitigen Romanfragments erhält dann schließlich der Rektor der Schule die begehrte Stelle des Predigers.

Wichtiger als dieser äußere Rahmen ist aber die innere Struktur der Romanhandlung, die diesem äußeren Gerüst inhaltlich sogar widerspricht. Denn der junge Lehrer erweist sich eben nicht als unreif oder unerfahren, sondern verkörpert geradezu die Idealgestalt eines selbstlosen Meisters, der seine Freiheit darin sieht, seinen Mitmenschen zu dienen. Er kümmert sich rührend um seine pflegebedürftige Mutter Ernestine, die er zärtlich „liebes Mutterle" nennt, er ist der perfekte Hausmann, predigt wunderbar mit seiner schönen Kanzelstimme und erweist sich jedem gegenüber, der seinen Rat sucht, als hilfsbereit. Er verarztet Verletzte, seien es nun Sachsen, Rumänen oder Roma, er kämpft unerschrocken gegen die Ungerechtigkeit gesellschaftlicher Strukturen, wirkt versöhnend in Streitigkeiten, vermittelnd in Auseinandersetzungen, prangert Missstände an und wendet sich aktiv gegen gesellschaftliche Probleme wie Alkoholismus und häusliche Gewalt oder die immer noch virulente Vergangenheit des Ersten Weltkriegs und seine traumatischen Folgen.

Ernstfred Zakel bietet nicht nur Autoritäten die Stirn, sondern er hat zudem ein offenes Ohr für alle Anliegen, die an ihn herangetragen werden. Hilfe- und Ratsuchende gehen in seiner Wohnung ein und aus, sodass ihn die eigene Mutter sogar einmal ermahnen muss: „Lass dir die ganze Sache nicht zu nahe gehen. Es heißt ja so schön: ‚Einer trage des anderen Last', aber wie kommst du dazu, in deinen jungen Jahren die Last aller Bekümmerten in dieser Gemeinde mittragen zu helfen?" (S.121)

Der Kunstgriff des Lehrerromans von Alfred Ernst Ungar besteht darin, dass er zwar vordergründig das Schicksal eines jungen Lehrers behandelt, aber doch eigentlich hintergründig die siebenbürgisch-sächsische Dorfgemeinschaft schildert, die in diesem Romanfragment durchaus auch kritisch gesehen wird. So wird etwa vom Suizid einer Kindsmörderin berichtet, die wie die Hauptfigur von Hebbels „Maria Magdalena" in den Brunnen gesprungen ist, weil sie als Opfer einer Vergewaltigung von ihren Verwandten und von der gesamten Dorfgemeinschaft mit ihrem Problem alleingelassen wurde. Erst nach dem Selbstmord der Sünderin wird die Dorfgemeinschaft aktiv und will den Vergewaltiger lynchen.

Eine wichtige Rolle spielt das kulturelle Leben in der Gemeinschaft der Siebenbürger Sachsen in Stallendorf. Es gibt eine Theatergruppe, ein Gesangskränzchen, es wird musiziert, man spricht über Predigten, man lauscht Erzählungen mit Ergriffenheit, Briefe werden einander vorgelesen, so etwa ein Brief von Berta Jikeli, in dem diese von ihrem Neffen Hermann Oberth berichtet: „Seit 1925 ist er in Mediasch als Professor für Physik und Mathematik angestellt. Er will es erreichen, dass man mit einer Rakete zum Mond fliegen kann. Unsere Leute machen sich über seine Pläne lustig. Ob sie wohl gelingen werden und die Menschheit dies erlebt? Dann ist er ja ein Bahnbrecher und ein würdiger Enkel meines überaus geliebten Vaters." (S. 135)

Theologisch betrachtet könnte man Ernstfred Zakel als Vertreter des „Priestertums aller Gläubigen" im lutherisch-reformatorischen Geiste verstehen. Nicht das kirchliche Amt zählt, nicht die sakramentale Hierarchie, sondern allein die gottunmittelbare Nächstenliebe. Der junge Lehrer Zakel geht sogar so weit, zu verlangen, dass das Alte Testament aus dem Religionsunterricht herausgenommen werden solle. Ein Hörer seiner Predigten pflichtet ihm bei: „Die Kirche begeht einen großen Fehler, dass sie sich so stark auf das Alte Testament stützt. Wir sind doch Christen und müssten doch nach den Lehren des Heilands leben." (S. 164)

Aus Ernstfred Zakels Solidarität mit den Entrechteten und Unterdrückten, mit den Verarmten und Besitzlosen ergibt sich im Roman auch eine tiefe Sympathie für den Sozialismus und den Kommunismus. Gemeint ist hier nicht der primitive und grobe, von Marx selbst so bezeichnete „Kasernenkommunismus", der „von Neid und Gleichmachungssucht bestimmt" (S. 178) ist, sondern ein Kommunismus, dessen Ziel es ist, „jedwede Armut zu vernichten und dem Menschen die Fülle des Daseins zu schenken." (S. 178) Die Trias des Titels „Lehren Lieben Leben" weist also in Alfred Ernst Ungars Roman auf eine dem Mitmenschen tätig zugewandte Lebenslehre, ob sich diese nun aus christlichen, sozialistischen oder humanistischen Quellen speisen möge.

Ein Geleitwort des Theologieprofessors Hermann Pitters, ein Nachwort von Altbischof Christoph Klein sowie ein Anhang mit einem Gedicht von und einem Interview mit Alfred Ernst Ungar runden neben Fotos und weiteren Lebensdokumenten des Autors das lesenswerte Romanfragment gelungen ab.

Dr. Markus Fischer, ADZ