skip to content

Franz Remmel: Botschaft und Illusion. Zeugnisse der Literatur der rumänischen Roma

7. September 2007

Lyrik und Prosa in Romanes Anthologie zur rumänischen Roma-Literatur erschienen / Von Cynthia Pinter (aus: ADZ vom 07.09.2007)

Jedes Volk hat eine Literatur, sei sie auch nur mündlich überliefert worden. Die Roma aus Rumänien ebenfalls. Das wird einem bewusst, wenn man das Buch „Botschaft und Illusion" von Franz Remmel durchblättert, das heuer im Verlag „Banatul Montan" in Reschitza/Resita erschienen ist. Es enthält kommentierte Lyrik und Prosa, die zur „Existenz auch einer Literatur der rumänischen Roma" beitragen.

Von den ersten Übersetzungen Ende des 19. Jahrhunderts von Dr. Barbu Constantinescu, Martin Samuel Möckesch und Heinrich von Wlislocki ist im ersten Kapitel der Anthologie, der „Bevormundung", zu lesen. Es ist allerdings notwendig, die deutsche und die rumänische Sprache zu beherrschen, um eine Kostprobe der aus dem Romanes ins Rumänische übersetzten Gedichte zu erhalten. Remmel lässt sich auf die Diskussionen über Sinnestreue und Phantasie der Übersetzungen von Wlislocki nicht ein. Es ist ihm wichtiger zu beweisen, dass es eine Dichtkunst der Zigeuner gab und gibt. Durch mehrere zweisprachige Proben eines Wlislocki kommt der Leser auf den Geschmack einer Volksliteratur mit ihren Zaubersprüchen, Märchen, Sagen oder Heilsprüchen (gegen Fieber oder Kopfweh). Märchen und Sagen sind als Beispiel der Prosa der Roma auch abgedruckt.

Im zweiten Kapitel, „Das ethnische Erwachen", schreibt der Autor und Zigeunerforscher über die Entwicklung einer Roma-Presse zwischen 1925 und 1940. Mit Abbildungen einiger Titelblätter wie „Glasul Romilor", „Neamul Tigãnesc" oder „O Rom" wird das Kapitel bebildert. Leseproben von Liebesgedichten, einem politischen Streitgedicht und einer Roma-Hymne sind hier zu genießen. Die Treue zum König Carol II., die aus einigen Gedichten hervorgeht, lässt auf die politische Haltung der Zigeuner in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schließen, die dem König für ihnen zugeteilte Grundstücke danken.

Es gab allerdings nicht nur glückliche Zeiten, das harte Leben eines Wanderzigeuners wird in einem Gedicht von Barbu Stanciu-Dolj in rumänischer Sprache beschrieben.

Kaum hatte sich die Literatur der Roma etwas entfaltet, kam in den Jahren 1940 bis 1990 zuerst die Zensur und dann das Tabu. Darüber schreibt Remmel im nächsten Kapitel. Eine Sammlung von Zigeunermärchen wurde eingezogen und sogar eingestampft. Erst nach 1990 gab es wieder ein „ethnisches Erwachen" im literarischen Geistesschaffen der rumänischen Roma.

Diesmal aber schreiben nicht mehr nur Nicht-Roma, sondern auch Roma. Vom Entstehen parteipolitischer Formationen und einer Presselandschaft ist hier die Rede. Mehrere Gedichte und Prosastrücke dokumentieren dieses Erwachen. Es fällt der Name der Hermannstädter Dichterin Luminita Mihai Cioabã als wichtigste Vertreterin der Roma-Literatur nach 1990. Die Gedichtbände, die nach der Revolution erschienen sind, werden vom Autor angegeben.
Franz Remmel hat es mit dieser kommentierten Anthologie geschafft, mehr als drei Dutzend Autoren der Roma vorzustellen und Teile ihrer Werke zu publizieren. Um das Buch bildlicher zu gestalten, gibt es zum Schluss mehrere Farbfotos, die das Leben der Roma festhalten.

Es ist bereits das vierte Buch zum Thema Roma in Rumänien, das Franz Remmel veröffentlicht. Das erste, „Nackte Füße auf steinigen Straßen" (2003), behandelte das Thema der Deportation der Zigeuner nach Transnistrien. 2004 erschien „Der Turm zu Babel" und erlaubt einen Blick hinter die Kulissen der rumänischen Roma-Gesellschaft, während „Alle Wunder dauern drei Tage" (2005) die Geschichte der Roma wiedergibt.

Dem Literaturfaszinierten eröffnet das Buch neue Bereiche, vorausgesetzt der Leser beherrscht Deutsch und Rumänisch. Vor allem für jemanden, den die Kultur der Roma interessiert und der etwas mehr über die Geschichte des Nomadenvölkchens wissen möchte, ist „Botschaft und Illusion" das Richtige.

weiterführende Links


Spuren, die vergehen »