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Jürgen Henkel (Hrsg.): Aus dem Glauben leben

1. Mai 2009

Gesammelte Texte von Metropolit Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa zur orthodoxen Theologie und Spiritualität

Rezensent: Wolfram Göll, München / Schwabach (aus: SÜDOSTEUROPA Mitteilungen, Heft 05/2009)

Wer die kirchliche, kulturelle, soziale und auch politische Landschaft in Südosteuropa, so auch in Rumänien, verstehen will, kommt um eine Beschäftigung mit der wirkmächtigen orthodoxen Kirche und ihrer Theologie und Spiritualität nicht herum. Die Sprachbarriere zum Russischen, Bulgarischen, Serbischen oder Rumänischen ist dem Dialog mit den orthodoxen Kirchen im Allgemeinen aber nicht gerade förderlich. Umso wichtiger sind Bücher zur orthodoxen Kirchengeschichte, Theologie und Frömmigkeit, die diese Sprachbarrieren überwinden. Dazu zählt zweifellos die vorliegende Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen, Hirtenbriefen und Ansprachen, Andachten und Predigten des Rumänischen Orthodoxen Metropoliten Serafim von Deutschland, Zentral- und Nordeuropa. Metropolit Serafim zählt zu den bekanntesten und wichtigsten Repräsentanten und Botschaftern der Orthodoxie in der westlichen Welt. Der charismatische Seelsorger und Theologe betreut als Oberhirte seit 1994 die rumänischen orthodoxen Christen in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Schweden, Norwegen und Dänemark. Er hat seinen Sitz seit 2001 in Nürnberg.

Der vorliegende Band ist eine ökumenische Freundesgabe der Evangelischen Akademie Siebenbürgen (EAS) in Sibiu/Hermannstadt an Metropolit Serafim zu dessen 60. Geburtstag. Gleichzeitig ist es keine klassische Festschrift mit Texten anderer Autoren, sondern das Buch bietet wichtige Texte des Metropoliten zur orthodoxen Theologie und Spiritualität, zurÖkumene und zum Weltbezug der Orthodoxie, zum Verhältnis zu Europa und zur EU und zur Diakonie, die nach 1989 in Rumänien wieder ein verstärktes Anliegen der Orthodoxen Kirche ist. Die Hirtenbriefe zu Ostern und Weihnachten seit 2000 geben gleichzeitig einen Überblick zu wichtigen kirchlichen Ereignissen in Rumänien, auf die sie Bezug nehmen.

Die Bandbreite der hier verhandelten Themen ist sehr groß. Das von dem früheren Leiter der Evangelischen Akademie Siebenbürgen und evangelischen Publizisten und Theologen Dr. Jürgen Henkel herausgegebene Buch bietet das umfassende Material klar gegliedert. Nach Geleitworten von Patriarch Daniel(Rumänien), dem katholischen Bischof Josef Homeyer (Hildesheim) und dem bayerischen Landesbischof Johannes Friedrich (München) liefert der Herausgeber ein kundiges und das Handeln theologisch interpretierendes Lebensbild des orthodoxen Metropoliten (S. 19-28). Henkel beschreibt Metropolit Serafim als Vertreter der orthodoxen Gebetsfrömmigkeit des Hesychasmus, der die rumänische Orthodoxie besonders geprägt hat. Und er würdigt die große Aufbauleistung des Erzbischofs seit 1994, der mit neun Gemeinden startete und mittlerweile mehr als 50 Gemeinden zu betreuen hat. Metropolit Serafim steht fest in seiner orthodoxen Tradition und ist doch ökumenisch sehr involviert. Den bahnbrechenden Besuch von Papst Johannes Paul II. in Rumänien hat er hinter den Kulissen mit eingefädelt. Es wird immer wieder deutlich, dass dem Metropoliten die Ökumene des Gebets stets wichtiger ist als die Ökumene der Papiere und Konferenzen und dass er die europäische Dimension der Orthodoxie betont. In den Texten zur Ökumene setzt er klare Grenzen des Dialogs, bleibt aber gesprächsfähig.

Das Buch ist allen zu empfehlen, die sich mit Ökumene und Orthodoxie, Rumänien und Südosteuropa beschäftigen. Wichtige religiös-christlich motivierte Mentalitätsprägungen werden nach der Lektüre des Bandes nachvollziehbar. Der Metropolit äußert sich auch zu kritischen Themen wie dem Verhältnis der Kirche zum Staat in der Zeit des Kommunismus und legt dar, wie sich die Sozialarbeit seiner Kirche nach 1990 entwickelt hat. Die Texte sind vom Herausgeber klug ausgewählt und redigiert, die Einsortierung in Kapitel überzeugt. Der Abschnitt zu „Spiritualität und Theologie" (I., S. 31-130) bringt grundlegende Ausführungen zu zentralen Themen und Lebensfragen der Orthodoxie wie etwa das Jesusgebet, Askese und persönliche Spiritualität der Gläubigen, die Rolle der Gottesmutter in der orthodoxen Frömmigkeit oder auch das kirchliche Amt. Die Beiträge zu „Kirche und Gesellschaft" (II., S. 131-216) zeigen Verhältnisbestimmungen zwischen orthodoxer Kirche und Staat in Rumänien sowie Europa. Hier werden auch Fragen wie nach der Bedeutung der kirchlichen Märtyrer des 20. Jahrhunderts für die politische Kultur des christlichen Glaubens orthodoxer Prägung behandelt. In den Texten zu „Orthodoxie und Ökumene" (III., S. 217-264) äußert sich der Metropolit zu Chancen und Grenzen, Perspektiven und Problemen der Ökumene aus orthodoxer Sicht bis hin zu einer Bewertung der Dritten Ökumenischen Versammlung im September 2007 in Sibiu/Hermannstadt. – Der Anhang enthält Geburtstagsgrüße prominenter Persönlichkeiten aus Politik und Kirche vom damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Günter Beckstein über die Kardinäle Karl Lehmann (Mainz) und Miloslav Vlk (Prag) sowie EKD-Ratsvorsitzenden Bischof Wolfgang Huber bis hin zu zahlreichen kirchlichen Institutionen.

So ist der vorliegende Band ein großer Gewinn nicht nur für Theologie und Ökumene, sondern für alle, die sich mit Südosteuropa und der Orthodoxie beschäftigen. Das Buch ist schön gestaltet bis hin zur Bildauswahl und der guten Druckqualität.

Hermannstadt/Sibiu und Bonn: Schiller-Verlag 2008 (= ACADEMIA / Veröffentlichungen der Evangelischen Akademie Siebenbürgen, Bd. VIII), 420 Seiten, 9 Abb.

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